Sickerwasser – Einfluss des Klimawandels

Sickerwasser ist jener Teil des Niederschlagswassers, der nach Auffeuchtung des Bodens und Versorgung der Pflanzen den Wurzelraum verlässt und in tiefere Bodenhorizonte oder Schichten einsickert. Es verlässt die durchwurzelte Zone des Bodens nach unten. Erst dieses Wasser kann potenziell in Richtung Grundwasserleiter gelangen und ist somit entscheidend für die tiefere Wasserverfügbarkeit und Grundwasserneubildung. Nicht jedes Sickerwasser wird auch zu Grundwasser: Auf dem Weg durch das Bodenprofil kann es in Zwischenräumen gespeichert, durch tiefwurzelnde Pflanzen aufgenommen oder durch kapillaren Rückfluss und Verdunstung wieder verloren gehen. Die Grundwasserneubildung beginnt erst dort, wo Sickerwasser dauerhaft in die gesättigte Zone des Untergrunds eintritt. Sickerwasser unterhalb der Wurzelzone ist also ein notwendiger, aber noch nicht hinreichender Schritt für die tatsächliche Grundwasseranreicherung. Das Sickerwasser ist ein sensibler Indikator für die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt.
Die Menge und Dynamik des Sickerwassers unterhalb der Wurzelzone wird durch den Klimawandel in Mitteleuropa deutlich verändert:
Höhere Temperaturen und gesteigerte Verdunstung führen zu einer stärkeren Wasserentnahme durch Pflanzen und Atmosphäre – insbesondere während der Vegetationsperiode. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass genug Wasser zur Tiefenversickerung übrig bleibt.
Veränderte Niederschlagsverteilung: Längere Trockenperioden im Sommer verringern die Bodenfeuchte, während intensivere Starkregenereignisse vermehrt zu Oberflächenabfluss führen, bevor das Wasser überhaupt ins Bodenprofil eindringen kann.
Eingeschränkte Versickerungsfenster: Die klassischen Perioden für Tiefenversickerung – insbesondere das Winterhalbjahr – verkürzen sich durch mildere Winter und eine verlängerte Vegetationszeit. Die Böden sind häufiger trocken oder bereits von Wurzeln durchzogen, was die Tiefenversickerung zusätzlich erschwert.
© KLIWA, LfU RLP

Die Grafik zeigt die jährliche Sickerwasserrate in Rheinland-Pfalz für den Zeitraum 1951 bis 2023. Sie gibt an, wie viel Wasser pro Jahr durchschnittlich unterhalb der Wurzelzone aus dem Bodenprofil versickert und damit potenziell zur Grundwasserneubildung beitragen kann. Die Balken zeigen die simulierten Jahreswerte auf Basis des HYRAS-Niederschlagsdatensatzes. Zur Einordnung sind statistische Kenngrößen dargestellt (bezogen auf den Referenzzeitraum 1971–2000). Die Farbgebung der Balken verdeutlicht die Einordnung einzelner Jahre: Blau: Jahre mit überdurchschnittlicher Sickerwasserrate (> 75. Perzentil), Gelb: durchschnittliche Jahre (25.–75. Perzentil), Rot: Jahre mit unterdurchschnittlicher Sickerwasserrate (< 25. Perzentil). Ein Blick auf die letzten beiden Jahrzehnte zeigt: Jahre mit sehr niedrigen Sickerwassermengen (rote Balken) häufen sich, blaue Balken kommen nicht mehr vor – ein Hinweis auf anhaltend trockene Bedingungen und geringe Tiefensickerung.
Die zweite Grafik stellt die Abweichung jedes Jahres von diesem Mittelwert grafisch dar: Positive Werte (blau) zeigen Jahre mit überdurchschnittlicher Tiefenversickerung, Negative Werte (rot) markieren Defizitjahre Hier wird deutlich: Während frühere Jahrzehnte (besonders die 1980er und frühe 2000er) noch viele Jahre mit positiver Abweichung aufweisen, dominieren ab etwa 2003 die negativen Ausschläge. Die Sickerwasserrate liegt in fast allen Jahren deutlich unter dem langjährigen Mittel, was auf eine zunehmend gestörte Wasserbilanz durch den Klimawandel hindeutet.
Seit Beginn der 2000er Jahre ist ein deutlicher Rückgang der Sickerwasserrate zu verzeichnen. Diese Entwicklung hat unmittelbare Folgen für die Grundwasserneubildung, die Wasserverfügbarkeit und die Resilienz des Bodensystems.