Der Sommergerstenanbau in Rheinland-Pfalz
Herkunft und optimale Anbaubedingungen
Die Gerste (Hordeum vulgare) hat ihren Ursprung im vorderen Orient und der östlichen Balkanregion. Die ältesten Nachweise belaufen sich auf die Zeit 10.500 vor Christus. Seit der Jungsteinzeit (5.000 vor Christus) wird die Gerste in Mitteleuropa angebaut, zunächst nur in den kühleren Regionen, später breitete sich der Anbau in wärmere Regionen aus. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat die Gerste für die Landwirtschaft als Viehfutter eine wichtige Bedeutung. (1)
Die Gerste bevorzugt tiefgründige, gut durchfeuchtete Böden, allerdings weist sie eine recht große Toleranz hinsichtlich des Standorts auf und wächst auch unter ungünstigen Bedingungen. Gegenüber sauren Böden ist sie jedoch sehr empfindlich (2). Die Aussaat erfolgt entweder im September als Wintergerste oder im Frühjahr als Sommergerste. Die Sommergerste benötigt insgesamt weniger Wärme zur Reifung und kann bereits nach etwa 100 Tagen geerntet werden. (1)
Veränderungen und Risiken durch den Klimawandel
Die Gerste zählt zu den C3-Pflanzen. Diese benötigen zur Optimierung ihrer Photosyntheseraten höhere Kohlenstoffdioxidkonzentrationen als momentan in der Atmosphäre vorzufinden sind. Dementsprechend kann sich die CO2-Konzentrationserhöhung im Zuge des Klimawandels positiv auf das Pflanzenwachstum und damit den Ertrag der Gerste auswirken.
Mittels sogenannter FACE-Experimente (Free Air Carbon Dioxide Enrichment) konnte nachgewiesen werden, dass sich die Photosyntheserate durch eine Erhöhung der CO2-Konzentration von 350 auf 550 parts per million (ppm) um 8,1 % steigert. (3)
Bei einer um 50 % reduzierten Stickstoffverfügbarkeit ist die oberirdische Biomasseproduktion zwar vermindert, der CO2-Düngeeffekt wirkt sich jedoch verhältnismäßig stärker aus. Ein Anstieg um 13,7 % wurde festgestellt. (3)
Erhöhte Kohlenstoffdioxidkonzentrationen führen jedoch auch zu Qualitätsveränderungen des Gerstenkorns. Der Proteingehalt im Korn reduziert sich um 11,2 beziehungsweise um 13,4 % (abhängig von der Stickstoffverfügbarkeit). Bei Verwendung der Sommergerste als Futtermittel verändert sich somit der Nährwert.
Für die Verwendung als Braugerste ist der Rohproteingehalt im Korn ausschlaggebend. Dieser muss zwischen 9,5 und 11,5 % liegen (4). Durch die Kohlenstoffdioxidkonzentrationserhöhung reduziert sich jedoch speziell bei verminderter Stickstoffverfügbarkeit der Rohproteingehalt im Korn auf 8,8 %. Die Gerste wäre demzufolge zukünftig nicht mehr für den Brauprozess geeignet. (3)
Als Folge des Klimawandels kommt es zu Veränderungen der phänologischen Phasen. Der Vegetationsbeginn verfrüht sich und die Vegetationsperiode vieler Arten wird insgesamt länger. Die Phänologie der Sommergerste zeigt eine hohe Übereinstimmung mit der des Hafers (5, 6). Studien aus Baden-Württemberg zeigen, dass sich das Auflaufen des Hafers durch Vergleich der Perioden 1961-1990 und 1991-2011 im Durchschnitt um vier Tage verfrüht hat und die Ernte durchschnittlich zehn Tage früher stattfindet. Somit ist die Vegetationszeit des Hafers um sechs Tage verkürzt. Insgesamt wird auch die Bestellung des Feldes durchschnittlich vier Tage früher vollzogen (7). Durch die hohe phänologische Übereinstimmung sind diese Werte in Annäherung auf die Sommergerste übertragbar.
Die Gerste hat im Allgemeinen einen relativ geringen Wasserbedarf (8). Während der Phase des vegetativen Wachstums bewirkt eine unzureichende Wasserversorgung jedoch eine verminderte Biomasseakkumulation und damit eine geringe Anzahl an Ertragsorganen pro Flächeneinheit (9, 10, 11, 12). Und auch während der Kornfüllungsphase, speziell in den letzten zwei bis drei Vegetationswochen ergeben sich durch Wassermangel deutliche Qualitätsveränderungen, sodass die Ernte meist nur noch als Futtergerste verwendet werden kann (13). Experimente zur Quantifizierung der Auswirkungen von Wassermangel (dargestellt mit nutzbarer Feldkapazität 20 %) in der Kornfüllungsphase auf den Ertrag und die Qualität der Gerste haben gezeigt, dass die Kornfüllungsphase deutlich verkürzt wird und die Trockenmasse des Korns bereits nach 17 anstatt 31 Tagen ihr Maximalgewicht erreicht (14).
Durch die steigenden Temperaturen und das veränderte Niederschlagsverhalten durch den Klimawandel steigt das Risiko von Qualitätsminderung und Ertragseinbußen der Gerste. Besonders der Anbau der Braugerste, die bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen muss, wird zukünftig gefährdet sein. Dementsprechend wird die Bewässerung speziell bei für den Malzprozess bestimmter Gerste zukünftig einen wichtigen Aspekt zur Sicherung der Erträge darstellen.
Die Gerste weist im Allgemeinen eine geringere Winterhärte als Weizen oder Roggen auf. Zur Keimung benötigt die Sommergerste Temperaturen über 5 °C, dann erreicht der Blattkeim nach etwa sechs bis acht Tagen die Erdoberfläche. Kommt es während der Bestockungsphase zu Spätfrösten, toleriert die Gerste Temperaturen bis zu -6 °C.
Während der Bestockungsphase wirkt sich eine kühlere Witterung positiv auf den späteren Ertrag aus, da die für den Übergang in die Schossphase notwendige Temperatursumme von 500 °C (Basistemperatur 6 °C) nur langsam erreicht wird und die Bestockung dementsprechend dichter ausfällt. (8)
Aufgrund der Notwendigkeit der frühen Saat im Februar oder März kann sich in Kombination mit den phänologischen Veränderungen und dem verfrühten Auflaufen der Pflanze das Risiko von Schädigungen und Ertragseinbußen durch Spätfröste zukünftig verstärken.
Die Gerste zeichnet sich durch ein verhältnismäßig schwaches Wurzelwerk aus, weswegen sie sehr empfindlich auf Staunässe, eine häufige Folgen von Starkniederschlägen, reagiert. Zudem besteht im Frühjahr bei der Sommergerste zunächst eine geringe Standfestigkeit, weswegen die Folgen von Starkniederschlägen bei dieser Kultivierungsform im Frühjahr nur schlechter verkraftet werden können. (15)
Kommt es im weiteren Verlauf zu Hagel oder auch Starkregen, so steigt die Gefahr von abgeknickten Ähren, ausgeplatzten Körnern und Pilzbefall (16, 17, 18).
Die Erosionsanfälligkeit einer Fläche wird von vielen Faktoren bestimmt. Neben der Bodenart, dem Humusgehalt des Oberbodens, der Bearbeitungsform und Bearbeitungsrichtung sind das Gefälle, die Hanglänge und der Bewuchs entscheidend (19).
Beim Anbau von Sommergerste ist der Boden über die Wintermonate unbedeckt, weswegen die Fläche stark anfällig für Erosion ist. Die Erosionsproblematik ist eng an das Auftreten von Starkniederschlägen gekoppelt. Nimmt die Anzahl der Starkniederschläge zu, so wird auch das Problem der Erosion verstärkt.
Es bestehen jedoch verschiedene Möglichkeiten, die Erodierbarkeit der Fläche zu vermindern. Durch Mulch- und Direktsaat ohne Mulchen werden die Bodenaggregate geschützt und die kontinuierlichen Grobporen bleiben erhalten, die die Infiltrationsfähigkeit des Bodens bestimmen. Durch den hohen Gehalt an organischem Material im Oberboden wird zudem die Aggregatzerstörung durch den Aufprall der Regentropfen gemindert und die oberflächliche Verschlämmung wird reduziert. Zudem kann auch die Veränderung der Hanglänge, angepasst an das Gefälle der Ackerfläche, und die vertikale Bearbeitungsrichtung zum Gefälle das Risiko der Bodenerosion deutlich vermindern. (20)
Für die Sommergerste eignet sich besonders der Einsatz von Zwischenfrüchten. Neben der Stabilisierung des Oberbodenmaterials wirken Zwischenfrüchte auch der Nitratauswaschung über die Wintermonate entgegen. (21)
Die Sommergerste reagiert empfindlich auf hohe Temperaturen. Dabei spricht man ab Temperaturen von 32 bis 35 °C vom Hitzestress. Dieser kann in Abhängigkeit von Zeitpunkt und Dauer eine Reduktion des Korngewichts um bis zu 35 % bewirken (22, 23, 24, 25). Die Sensitivität ist dabei sortenabhängig. Speziell die modernen Sorten mit hohen Ertragsleistungen reagieren in der Kornfüllungsphase deutlicher auf hohe Temperaturen als die älteren Sorten. (26)
Die steigenden Temperaturen in den Sommermonaten und damit während der Kornfüllungsphase können zukünftig die Ertragssicherheit der Sommergerste gefährden.
Zwergrost:
Der Zwergrost wird durch den Pilz Puccinia hordei übertragen und äußert sich an den Gerstenpflanzen durch punktförmige, hellbraune Pusteln mit gelblichem Hof an den Blattoberseiten. Im späteren Stadium vergilben und vertrocknen die befallenen Stellen. Kurz vor der Reife können an den Blattunterseiten schwarze Wintersporenlagen auftreten. (27)
Um sich ausbreiten und letztlich eine Infektion auslösen zu können, benötigt der Pilz trockenwarme Witterungsbedingungen im Sommer. Tagesmitteltemperaturen vorn 15 °C oder auch Tageshöchsttemperaturen von mindestens 20 °C an drei Tagen führen zum Anstieg der Befallsstärke. (28)
Die Ursache der Infektion sowie die Intensität werden durch verschiedene Faktoren bestimmt. Die Sortenwahl ist entscheidend, denn diese bestimmt die Anfälligkeit, aber auch unangepasste Fruchtfolgen oder der Anbau von Wintergerste neben Sommergerste erhöhen das Risiko einer Infektion. Des Weiteren bevorzugt Puccinia hordei warme Anbaulagen mit relativ hohen Frühjahrstemperaturen (18 bis 25 °C) und Taunächten. Ist die Infektion ausgebrochen und die Befallsgrenze überschritten, so eignen sich strobilurin- und carboxamidhaltige Präparate mit Protektivwirkung. (29)
Nehmen im Zuge des Klimawandels die Temperaturen im Frühjahr zu, so steigt das Risiko größerer Ertragseinbußen durch den Zwergrost. Die wärmeren Bedingungen im Sommer fördern die Infektion ebenfalls. Dementsprechend ist es zukünftig besonders wichtig, die Ausbreitung der Sporen einzudämmen und durch prophylaktische Maßnahmen der Verseuchung weiterer Flächen entgegen zu wirken.
Rhynchosporium:
Die Blattkrankheit Rhynchosporium wird durch den Pilz Rhynchosporium secalis ausgelöst. Sie zählt zu den bedeutsamsten Krankheitserregern der Gerste, tritt aber auch bei Roggen, Triticale (Kreuzung aus Weizen und Roggen) und verschiedenen Gräser auf. Bei der Sommergerste kommt es im Infektionsfall zu Ertragseinbußen und Qualitätsverschlechterungen. (30)
Die Krankheit äußert sich durch ovale, wässrig-graugrüne Flecken mit fahlgrauem Zentrum und dunkelbraunem Rand auf Blattspreite und Blattachsel. (29)
Die Erstinfektion erfolgt über befallene Pflanzenrückstände oder auch infiziertes Saatgut. Der Pilz überdauert als Myzel in den Ernterückständen des Vorjahres. Die Konidienproduktion beginnt im Frühjahr bei Temperaturen um die 4 °C. Regenspritzer verbreiten die Sporen. Dementsprechend tritt die Infektion meist nesterweise auf und ist verhältnismäßig standortgebunden. Feuchte und kühle Gegebenheiten (15 bis 20 °C) mit einer hohen Luftfeuchtigkeit und langer Blattfeuchtedauer begünstigen eine schnelle Infektion.
Verschiedene prophylaktische Maßnahmen eignen sich zur Eindämmung beziehungsweise Unterbindung der Infektion. Eine angepasste Fruchtfolge mit geringem Gersteanteil und dem Verzicht auf Kombinationen mit Roggen reduzieren das Risiko einer Infektion deutlich. Aber auch die Sortenwahl hin zu resistenteren oder auch toleranteren Sorten ist wichtig. Der Aussaattermin sollte nicht zu früh gesetzt werden, damit die Gerste möglichst wenig unter kühl feuchten Bedingungen wächst. Dies widerspricht jedoch der Empfehlung, die Aussaat zur Verlängerung der Bestockungsphase möglichst früh durchzuführen. Ebenso ist eine reduzierte Bestandsdichte von Vorteil, denn hierdurch verdunstet das Wasser auf den Blättern schneller.
Ist die Infektion ausgebrochen und die spezifische Schadschwelle überschritten, so ist der Einsatz von Fungiziden zur Rettung der Ernte notwendig. (30)
Netzflecken:
Bei der Netzfleckenkrankheit handelt es sich ebenfalls um eine Blattkrankheit der Gerste, die weltweit vorzufinden ist. Der Pilz Pyrenophora teres überdauert als Myzel im Saatgut, auf Strohresten oder Stoppeln auf dem Feld. Dort bildet er Konidien mit Sporen, die mit dem Wind und durch Niederschläge verbreitet werden und wieder neue Konidien bilden. Speziell feuchtwarme Bedingungen fördern eine schnelle Generationsfolge.
Hat der Erreger die Gerste befallen, so äußert sich dies in den typisch netzartigen oder auch runden Blattflecken mit vergilbtem Blattgewebe.
Für die Primärinfektion sind Temperaturen zwischen 10 und 15 °C optimal, zur Konidienbildung werden dagegen Temperaturen zwischen 15 und 25 °C in Kombination mit hoher Feuchtigkeit benötigt. Im Allgemeinen wird die Infektion und Ausbreitung der Krankheit jedoch durch häufige Witterungswechsel begünstigt. Folgt nach regnerischen Tagen eine Zeit mit hoher Sonneneinstrahlung, so steigt das Risiko des Befalls mit der Netzfleckenkrankheit an. (31)
Zur Vorbeugung des Befalls der Krankheit sind verschiedene ackerhygienische Maßnahmen notwendig. Die Ernterückstände des Vorjahres müssen sorgfältig eingearbeitet werden und Ausfallgetreide beseitigt werden (29). Aber auch die Sortenwahl und die Fruchtfolge sind entscheidend.
Fazit und Zusammenfassung
Die Klimawandelfolgen in Rheinland-Pfalz weisen zukünftig mögliche Beeinträchtigungen für den Anbau der Sommergerste beziehungsweise Braugerste auf. Um die Ernte für die Bierherstellung verwenden zu können, muss diese bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen. Diese können durch die Kohlenstoffdioxidkonzentrationserhöhung und Trockenstress während der Kornfüllungsphase gefährdet werden. Zudem führen schnell steigende Temperaturen im Frühjahr zu einer verkürzten Bestockungsphase und damit zu späteren Ertragseinbußen. Die Sommergerste reagiert sehr empfindlich auf Starkregen mit anschließender Staunässe und Hagelschäden.
Literatur
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